Finanzierungsklima
Was haben Kreditsachbearbeiter mit Sonnenblumenöl gemeinsam? Die Nachfrage übersteigt das Angebot.
Der Nachfrageboom nach Immobiliendarlehen hielt in den ersten fünf Monaten in 2022 an. Die Kreditnehmer versuchen noch attraktive Langfristzinsen zu sichern. Bei den Finanzierungsgebern sind immer noch pandemiebedingt verminderte Bearbeitungskapazitäten. Wir sehen aktuell sehr lange Bearbeitungszeiten – bis hin zu zeitlich begrenzten Antragsstopps und “Abwehrkonditionen“. Bei einem großen Finanzierungsanbieter wurde die Jahresplanung bereits erreicht und die Mitarbeiter arbeiten zum Teil 6 Tage die Woche, werden aus dem Urlaub zurückgerufen oder nehmen Akten mit in den Urlaub.
Im Bereich der großvolumigen Projektfinanzierung halten sich viele Anbieter zurück. Vor allem die steigenden Baukosten erhöhen das Kreditrisiko. Die Platzierung der Finanzierung gestaltet sich zunehmend schwieriger.
Bei Bauträgerfinanzierungen konnten etwaige Risiken in der Herstellung durch steigende Verkaufspreise in den vergangenen Jahren aufgefangen werden. Inzwischen steigen die Baukosten jedoch so stark, dass die Darlehensgeber nicht mehr auf eine Abwälzung auf die Verkaufspreise vertrauen. Die aktuellen geforderten Absicherungen der Kostenrisiken können häufig nicht mehr von Bauträgern erfüllt werden.
In den Auftragsbüchern der Bauwirtschaft ist noch keine Abschwächung der Auftragslage erkennbar. Im ersten Quartal 2022 gab es eine rege Nachfrage. Lediglich Frühindikatoren signalisieren hier eine Abschwächung des Baubooms für die kommenden Monate.
Das Zinsniveau ermöglicht der Versicherungswirtschaft Darlehenszinsen von 3,5 - 3,75% bei langen bis sehr langen Zinsbindungen zu erwirtschaften und den Anforderungen ihrer Kapitalanlage wieder gerecht zu werden. Limitierend hierbei ist lediglich der Mangel an Kreditsachbearbeitern.
In den vergangenen Jahren konnten problemlos Forwarddarlehen mit Forwardlaufzeiten von 2 bis 3 Jahren verhandelt werden. Aktuell wollen die Versicherungsunternehmen keine langen Forwards anbieten, da mit weiter steigenden Langfristzinssätzen gerechnet wird.
Berlin, den 20.06.2022
